Zeitschrift TIERethik
17. Jahrgang 2025/2
Heft 31, S. 41–63
Seit dem Jahr 2022 steht das Brieftaubenwesen auf der Liste des Verzeichnisses des Immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO-Kommission (UNESCO, 2022) – eine Entwicklung die vielfach aufgrund von Verstößen des Brieftaubenwesens gegen das Tierschutzgesetz kritisiert wird (z.B. Menschen für Tierrechte, 2022). Neben dieser Kritik will der Text die Doppelmoral analysieren, die dem Brieftaubenwesen zugrunde liegt. Doppelmoral bezieht sich hier auf doppelte Standards der moralisch-ethischen Bewertung in Gesellschaft, Politik und auch vor dem Gesetz. Es geht also um Normensysteme, die gleiches Verhalten unterschiedlich bewerten. So lässt sich argumentieren, dass auf der einen Seite das Brieftaubenwesen dort nicht bestraft wird, wo nach dem Tierschutzgesetz andere Haustiere vor dem Aussetzen geschützt werden sollen (I). Andererseits zeigt sich, dass viele Gemeinden Fütterungsverbote ohne nachhaltige und belegte Wirkung zur Vermeidung des Anstiegs der Taubenpopulationen in den Städten einsetzen, während der Brieftaubensport – trotz Verluste der Tiere in den Städten – ungestraft bleibt (II). Bei der Anzahl der Brieftauben deutschlandweit macht hier jedoch bereits eine minimale Anzahl Tauben, die bei Verlust überleben, einen gewaltigen Unterschied. Abschließend soll vor diesem Hintergrund verdeutlicht werden, dass die Kultur der Zucht hinsichtlich der Brieftaube aus einer viel weitreichenderen Kultur der Haustaubenhaltung stammt und verhältnismäßig jung ist. Eine dringende Korrektur – auch vor dem Hintergrund der moralischen Anwendung der Normen auf das Brieftaubenwesen – sollte die Konsequenz sein: eine Streichung des Brieftaubenwesens von der Liste des Immateriellen Kulturerbes und die Aufnahme der Haustaubenhaltung – aus historischer Sicht und mit Blick auf die Zukunft in Form der Rückführung der Haus- bzw. Stadttaube in die menschliche Obhut und betreute Taubenhäuser (Von Loeper, 2021).
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https://www.tierethik.net/data/2025-02/TE_2025_2_Vanadis-Faix.pdf